Pipeline Reality Check: 5 Warnsignale, die dir sagen, dass deine Forecast-Zahlen Wunschdenken sind

Mortiz Heininger / May 4th, 2025

Warum die meisten Sales-Forecasts nicht das Papier wert sind, auf dem sie stehen

Kennst du das? Der Monat neigt sich dem Ende zu, der Forecast sieht auf dem Papier vielversprechend aus – und trotzdem landen nur ein Bruchteil der prognostizierten Deals tatsächlich auf der Habenseite. Ein Einzelfall? Leider nicht.

Nach hunderten Pipeline-Reviews mit B2B-Unternehmen verschiedenster Größen und Branchen haben wir bei Scalantec ein klares Muster erkannt: Die meisten Sales Pipelines sind optimistischer Wunschtraum statt verlässliche Prognose. Und das Frustrierende daran: Es sind immer wieder die gleichen Warnsignale, die übersehen werden.

Die gute Nachricht: Diese Warnsignale zu erkennen und zu beheben ist keine Raketenwissenschaft – es erfordert lediglich Disziplin und systematisches Vorgehen.

Die 5 kritischen Warnsignale in jeder Sales Pipeline

Hier sind die fünf wichtigsten Indikatoren, die wir identifiziert haben und die über Erfolg oder Frustration beim Erreichen deiner Sales-Ziele entscheiden:

1. Unrealistische Closing Dates – der Klassiker unter den Pipeline-Illusionen

Das Warnsignal: Auffällig viele Deals in deiner Pipeline haben das gleiche geschätzte Abschlussdatum – typischerweise das Monats- oder Quartalsende.

Was wirklich dahinter steckt: Diese künstliche Häufung von Closing Dates hat meist wenig mit der Realität des Buying Cycles zu tun. Sie spiegelt vielmehr den Druck des Vertriebsziels wider als das tatsächliche Kaufverhalten deiner Kunden.

Real-World-Beispiel: Bei einem unserer SaaS-Kunden hatten 68% aller Opportunities im CRM den letzten Tag des Quartals als geplantes Closing Date. Die tatsächliche Abschlussrate an diesen Tagen? Gerade einmal 11%.

Die Lösung: Closing Dates müssen zur tatsächlichen Deal-Phase und Customer Journey passen:

  • Early Stage Deals: Verzichte komplett auf ein fixes Closing Date, arbeite stattdessen mit Phasen und deren durchschnittlicher Dauer
  • Mid Stage Deals: Setze Closing Dates basierend auf konkreten Buying Signals und dokumentierten Aussagen des Kunden
  • Late Stage Deals: Nur hier sind präzise Closing Dates sinnvoll – und zwar basierend auf schriftlichen Commitments

Praxis-Tipp: Führe eine wöchentliche "Closing Date Hygiene" ein. Jedes Date, das ohne konkrete Kundenaktivität oder -feedback festgelegt wurde, wird systematisch hinterfragt.

2. Fehlende Follow-up Aktivitäten – der heimliche Pipeline-Killer

Das Warnsignal: Opportunities ohne klar definierte, terminierte Next Steps im CRM.

Was wirklich dahinter steckt: Ohne konkrete nächste Schritte verlieren Deals schnell an Momentum. Sie bleiben in der Pipeline, werden aber kaum aktiv vorangetrieben – und versanden schließlich.

Real-World-Beispiel: Beim Pipeline-Review eines Manufacturing-Unternehmens stellten wir fest, dass 42% aller Opportunities, die älter als 30 Tage waren, keine dokumentierten Next Steps hatten. Von diesen Deals wurden in den folgenden drei Monaten nur 4% gewonnen.

Die Lösung: Implementiere eine strikte Regel: Kein Kundenkontakt ohne festgelegte Folgeaktivität mit klarer Deadline.

  • Definiere für jede Phase typische "gesunde" Next Steps
  • Automatisiere Warnungen für Deals ohne aktuelle Next Steps
  • Führe regelmäßige Next-Step-Qualitätskontrollen durch: Ist die geplante Aktivität wirklich ein Fortschritt im Sales Cycle?

Praxis-Tipp: Kategorisiere Next Steps in "customer-driven" und "sales-driven". Deals mit überwiegend kundenseitigen Next Steps (z.B. "Kunde präsentiert intern", "Kunde schickt Feedback") haben eine 2,5x höhere Abschlusswahrscheinlichkeit.

3. Wild variierende Deal-Größen – wenn die Pipeline zum Wundertüten-Mix wird

Das Warnsignal: Deine Pipeline enthält Deals, die in ihrer Größe um den Faktor 10 oder mehr variieren, werden aber dennoch einheitlich behandelt.

Was wirklich dahinter steckt: Verschiedene Deal-Größen erfordern unterschiedliche Verkaufsansätze, Ressourcen und Zeitrahmen. Wenn du einen 2.000€-Deal genauso behandelst wie einen 200.000€-Deal, machst du entweder den kleinen Deal unnötig komplex oder den großen Deal gefährlich oberflächlich.

Real-World-Beispiel: Ein B2B-SaaS-Anbieter hatte in seiner Pipeline Deals zwischen 3.000€ und 180.000€ Jahresumsatz. Nach einer Segmentierung und angepassten Behandlung der unterschiedlichen Deal-Größen stieg die Win-Rate bei Enterprise-Deals von 14% auf 26%, während gleichzeitig der Verkaufszyklus für SMB-Kunden um 38% verkürzt wurde.

Die Lösung: Segmentiere deine Pipeline konsequent nach Markt, Produkt und vor allem Deal-Size:

  • Definiere klare Schwellenwerte für Small, Mid-Market und Enterprise Deals
  • Entwickle spezifische Qualification-Kriterien für jede Kategorie
  • Etabliere unterschiedliche SLAs und Ressourcenzuteilungen pro Segment

Praxis-Tipp: Führe separate Pipeline-Reviews für unterschiedliche Deal-Größen durch. Dies verhindert, dass große Deals die Aufmerksamkeit monopolisieren oder kleine Deals mit unnötigem Overhead belastet werden.

4. Zombies in der Pipeline – wenn der Sales Cycle zum Dauerzustand wird

Das Warnsignal: Deals, die deutlich länger in der Pipeline verweilen als der durchschnittliche Sales Cycle, ohne klare Fortschritte zu zeigen.

Was wirklich dahinter steckt: Diese "untoten" Deals – zu aktiv, um sie zu schließen, aber zu inaktiv, um voranzukommen – verfälschen nicht nur deine Forecasts. Sie binden auch wertvolle Zeit und Aufmerksamkeit, die besser in vielversprechendere Opportunities investiert wäre.

Real-World-Beispiel: Bei der Analyse einer Enterprise-Software-Pipeline entdeckten wir, dass 28% aller aktiven Opportunities bereits länger im CRM waren als der durchschnittliche erfolgreiche Sales Cycle + 50%. Von diesen Zombie-Deals wurden in den folgenden sechs Monaten gerade einmal 3% gewonnen – sie blockierten jedoch 22% der gesamten Vertriebskapazität.

Die Lösung: Etabliere ein konsequentes Monitoring von Deal-Alter und Aktivitätsfrequenz:

  • Definiere klare Maximalzeiten für jede Sales-Phase
  • Implementiere eine "3-Strike-Rule": Drei verschobene Meetings oder Deadlines ohne echten Fortschritt führen zur kritischen Review
  • Führe vierteljährliche Pipeline-Bereinigungen durch – mit klaren Kriterien, wann ein Deal reaktiviert oder geschlossen werden sollte

Praxis-Tipp: Entwickle eine "Reclaim Strategy" für Zombie-Deals: Ein letzter, markant anderer Ansatz (z.B. direkte Einbindung der Führungsebene, signifikanter neuer Value Prop) mit klarem Zeitlimit. Danach: konsequentes Closing als "Lost" und Überführung in eine langfristige Nurturing-Strategie.

5. Inkonsistente Qualification – wenn Bauchgefühl den Prozess ersetzt

Das Warnsignal: Deine Deals werden nach unterschiedlichen Kriterien bewertet, je nach Verkäufer, Kunde oder aktuellem Druck zum Quartalsende.

Was wirklich dahinter steckt: Ohne konsistente Qualification-Prozesse wird deine Pipeline zu einem Sammelsurium subjektiver Einschätzungen statt zu einem verlässlichen Prognose-Instrument. Dies führt zu überraschenden Verlusten vermeintlich "sicherer" Deals und ineffizienter Ressourcenallokation.

Real-World-Beispiel: Ein B2B-Technologieanbieter implementierte MEDDPICC als Qualification-Framework und erreichte eine 93%ige Genauigkeit seines Quartals-Forecasts – gegenüber einer durchschnittlichen Abweichung von 42% in den vier Quartalen zuvor.

Die Lösung: Wähle ein Qualification-Framework (MEDDPICC, BANT, SPICED, etc.) und setze es konsequent um:

  • Integriere die Qualification-Kriterien direkt in dein CRM
  • Mache die vollständige Qualification zur Voraussetzung für den Übergang in Late-Stage-Phasen
  • Führe regelmäßige Stichproben-Überprüfungen der Qualification-Qualität durch

Praxis-Tipp: Für maximale Wirksamkeit: Verknüpfe die Qualification direkt mit dem Buying Process des Kunden. Jedes Kriterium sollte mit konkreten Kundenaktionen oder -aussagen belegt werden können, nicht nur mit der Einschätzung des Verkäufers.

Über die einzelnen Warnsignale hinaus: Der systemische Ansatz

Hier kommt die vielleicht wichtigste Erkenntnis aus unseren Pipeline-Analysen: Die meisten Sales-Teams fokussieren sich auf 1-2 dieser Warnsignale – typischerweise auf Closing Dates und Deal-Qualification. Echte Pipeline-Qualität und verlässliche Forecasts entstehen jedoch erst, wenn alle fünf Faktoren systematisch adressiert werden.

Der Grund dafür liegt in den Wechselwirkungen zwischen den einzelnen Faktoren:

  • Unrealistische Closing Dates führen zu ineffektiven Follow-up-Aktivitäten
  • Fehlende Follow-ups verlängern den Sales Cycle unnötig
  • Ein verlängerter Sales Cycle verzerrt die Qualification
  • Schlechte Qualification führt zu Ressourcenverschwendung bei unpassenden Deal-Größen

Um diese Wechselwirkungen zu durchbrechen, braucht es einen ganzheitlichen Ansatz zur Pipeline-Optimierung.

Drei konkrete Schritte für eine qualitativ hochwertige Pipeline

Basierend auf unseren Erfahrungen mit erfolgreichen B2B-Sales-Teams empfehlen wir diese drei konkreten Schritte, um deine Pipeline nachhaltig zu verbessern:

1. Implementiere einen wöchentlichen Pipeline-Hygiene-Check

Anstatt nur auf den monatlichen Pipeline-Review zu setzen, führe einen kurzen wöchentlichen Hygiene-Check ein, der alle fünf Warnsignale adressiert:

  • Montag: 30-minütiger Review aller Deals ohne aktuelle Next Steps
  • Mittwoch: Kontrolle aller Closing Dates, die in den nächsten 14 Tagen liegen
  • Freitag: Überprüfung von Deals, die ihren typischen Sales Cycle überschritten haben

2. Entwickle klare Kriterien für die Phase-to-Phase-Übergänge

Definiere präzise, welche Bedingungen erfüllt sein müssen, damit ein Deal von einer Phase in die nächste übergehen kann:

  • Verknüpfe jede Phase mit spezifischen Kundenaktionen, nicht nur Verkäuferaktivitäten
  • Implementiere ein "Peer Review" für den Übergang in späte Phasen
  • Automatisiere Warnungen für Deals, die ungewöhnlich schnell durch Phasen wandern

3. Führe einen monatlichen "Pipeline Truth Day" ein

Reserviere einen Tag pro Monat für einen schonungslosen Pipeline-Reality-Check:

  • Identifiziere und bereinige Zombie-Deals
  • Hinterfrage kritisch alle Deals, die im kommenden Monat schließen sollen
  • Überprüfe die Consistency der Qualification über alle Deals und Verkäufer hinweg

Praxis-Beispiel: Ein mittelständischer Softwareanbieter hat mit diesem Ansatz innerhalb von drei Monaten seine Forecast-Genauigkeit von 62% auf 89% gesteigert – und gleichzeitig den durchschnittlichen Sales Cycle um 24 Tage verkürzt.

Fazit: Pipeline-Qualität ist kein Zufall, sondern ein System

Die Realität des B2B-Sales hat sich verändert. In Zeiten verlängerter Entscheidungsprozesse und komplexerer Buying Centers genügt es nicht mehr, die Pipeline nach Gefühl zu managen.

Die gute Nachricht: Du musst nicht alle Probleme gleichzeitig lösen. Beginne mit der systematischen Adressierung eines der fünf Warnsignale, etabliere dafür klare Prozesse und erweitere dann Schritt für Schritt.

Bei Scalantec haben wir für zahlreiche B2B-Unternehmen genau diese Pipeline-Optimierungsprozesse implementiert – mit bemerkenswerten Ergebnissen in Bezug auf Forecast-Genauigkeit, Sales Cycle Length und letztendlich Umsatzwachstum.

Denn letztlich ist eine qualitativ hochwertige Sales Pipeline mehr als nur ein Reporting-Tool – sie ist ein strategischer Wettbewerbsvorteil.

Wie steht es um deine Pipeline? Welche der fünf Warnsignale erkennst du in deinem Sales-Prozess? Vereinbare ein unverbindliches Gespräch mit uns, um gemeinsam einen Blick auf deine spezifische Situation zu werfen.

Moritz Heininger ist Mitgründer von Scalantec. Er verfügt über umfassende Erfahrung in der strategischen Beratung und Führung globaler Tech-Unternehmen. Zuvor war Moritz u.a. als Managing Director bei Tink Labs (Softbank Venture), Chief Operating Officer bei Anchanto (E-Commerce-SaaS), Managing Director bei foodpanda (Rocket Internet) und Gründer von DIDIT (VC-finanziertes Zahlungsunternehmen) tätig. Seine Expertise in anwendungsbezogenen KI-Lösungen und strategischer Unternehmensführung hilft Scalantec-Kunden, ihre Go-to-Market-Strategien zu transformieren.